Die Bartholomäus-Brüderschaft der Deutschen in Lissabon

 

 Ein Rückblick

 

Von Marion Ehrhardt

 verfasst in Zusammenarbeit

 mit einigen Bartholomäus –Brüdern

 

 

Die Bartholomäus-Brüderschaft der Deutschen in Lissabon feiert gegenwärtig ihr 700jähriges Bestehen. Die Nachricht über ihren Ursprung ist durch einen Bericht überliefert, den einer ihrer Vorsteher namens Borger 1671 aus einem inzwischen verloren gegangenen, schon damals sehr alten Dokument kopierte. Danach hatte gegen Ende des 13. Jh. der in Lissabon ansässige deutsche Holzkaufmann Michael Overstädt am nördlichen Tejoufer, an der Stelle der heutigen Praça do Município, einen Stapelplatz besessen und dort eine dem heiligen Apostel Bartholomäus geweihte Kapelle errichtet, die möglicherweise schon als Andachtsstätte für die in Lissabon lebenden Deutschen diente. Der Begriff Deutsche umfasste damals alle aus den hoch- und niederdeutschspra­chigen Gebieten des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation stammenden Personen.

 

Auf Bitte des Königs Diniz trat Overstädt das Gelände ab, damit dort zu Ehren des heiligen Julian ein grösseres Gotteshaus gebaut werden könnte. Als Gegen­ leistung erhielt der Kaufmann ein anderes Grundstück und das Recht, in der neuen Kirche eine dem heiligen Bartholomäus gewidmete Seitenkapelle zu unter­ halten. Der Bau der Kirche S. Julião wurde 1290 vollendet, und dieses Jahr gilt traditionsgemäss als das Gründungsjahr der Bartholomäus-Brüderschaft, denn sicherlich schlossen sich die Deutschen, die für ihre Gottesdienste die Bartholo­ mäus-Kapelle benutzten, spätestens zu diesem Zeitpunkt zu einer Brüderschaft zusammen, um den Unterhalt ihrer Andachtsstätte, die Anschaffung des Kirchen­ gerätes und die Besoldung eines Priesters zu ermöglichen (1).

 

Die Brüderschaften waren im Mittelalter religiöse Vereinigungen zur Pflege des Gottesdienstes und der Wohltätigkeit. Sie gliederten sich später nach Berufs­ gruppen auf, den Vorläufern der Gilden oder Zünfte, weshalb die Bezeichnung Brüderschaft auch von denjenigen Vereinigungen beibehalten wurde, die den religösen Charakter im Laufe der Zeit verloren hatten (2).

 

Während für das 14. Jh. keine Dokumente über die Gemeinschaft der Bartholo­ mäus-Brüder erhalten sind oder aufgefunden wurden, beginnen seit dem 15. Jh. die Nachrichten reichlicher zu fliessen. Die portugiesischen Entdeckungen lockten eine immer grössere Anzahl von Deutschen nach Lissabon, die kamen, um als Hand­ werker oder Söldner ihre Dienste anzubieten, oder um sich als Kaufleute dem Im­ und Exportgeschäft zu widmen. So wurde im Jahre 1425 den Deutschen die Vergrösserung ihrer Kapelle und ein eigener Begräbnisplatz zugestanden mit der Auflage, den Stifter Overstädt, hier Sobrevila genannt, auch weiterhin in das Gebet einzuschliessen.

 

Ende 1489 ernannte König João II einen deutschen Söldner namens Hans zum Hauptmann und beauftragte ihn, ein 35 Mann starkes Artilleriekorps aufzustellen, das zum Dienst auf See bestimmt war (3). Diese Bombardiere genann­ ten Feuerwerker, die zwei Jahre darauf sogar einen eigenen Richter erhielten, sollten in der Geschichte der Bartholomäus-Brüderschaft eine so beherrschende Rolle spielen, dass die Vereinigung in portugiesischen Dokumenten jener Zeit als Brüderschaft der deutschen Bombardiere erwähnt wird.

 

1495 erhielten die Bartholomäus-Brüder vom König das Privileg, ein ihrem Namenspatron geweihtes Hospital zu unterhalten (4), in dem elf Jahre später der berühmte Nürnberger Kosmograph Martin Behaim die letzten Tage seines Lebens verbrachte. Der Vorsteher dieses Krankenheimes hatte neben seiner Haupttätigkeit auch die Aufgabe, den Nachlass der verstorbenen Bombardiere und deren rückständigen Sold aufzubewahren, bis sich gesetzliche Erben meldeten. Sollten keine Erben vorhanden sein, so wurde, laut Verordnung vom Juli 1507, der Nachlass der verstorbenen Bombardiere an die Brüder­schaft überwiesen, die als Verwalter vier Personen aus ihrer Mitte zu wählen hatte (5).

 

Dasselbe Dokument setzte auch die Strafen für unehrbare Worte und Handlungen fest, denn das Benehmen der Söldner gab offenbar mehrfach Anlass zu Kritik von Seiten der übrigen Mitglieder der Brüderschaft, so dass schliesslich die Kaufleute die St. Bartholomäus-Kapelle verliessen und eine eigene Gemeinschaft in der St. Sebastians­kapelle von S. Julião bildeten. Erst Anfang des 17.Jh. vereinigten sich die beiden Brüderschaften wieder. Auch mit den Geistlichen von S. Julião kam es zum Streit, den der Erzbischof dahingehend schlichtete, dass die Deutschen den siebten Teil der Kirche zugesprochen bekamen (6).

 

Wie aus einem Bericht des Erzbischofs von Lissabon aus dem Jahre 1551 hervorgeht (7), beschäftigte die Brüderschaft täglich einen Kaplan in ihrer Kapelle, deren Unterhalt durch Einkünfte aus Häusern in der Stadt finanziert wurde. Die Einnahmen aus Almosen beliefen sich jährlich auf 110 Cruzados. Für diesen Betrag konnte man damals gut 10 t Weizen kaufen. Bei feierlichen Anlässen trugen die Brüder grüne Umhänge und Kerzen. Die früheste Nachricht hierüber stammt aus der Schilderung einer Fronleichnamsprozession vom Jahre 1582 (8).

 

Die erste bekannte Beschreibung der Kapelle ist einem Text von 1666 zu entnehmen, in dem besonders zwei Reliquien des heiligen Bartholomäus gewürdigt werden, welche die Brüderschaft von Eleonor von Habsburg, der dritten Gemahlin des Königs Manuel I, als Geschenk erhalten hatte. Im übrigen befanden sich in der Kapelle die steinernen Darstellungen der heiligen Katharina und der heiligen Barbara, letztere als besondere Patronin der Artilleristen (9)

 

Die Zeit nach der Reformation brachte eine langsame Säkularisierung der Bartho- lomäus-Brüderschaft, die nun auch geachtete und wohlhabende Protestanten aufnahm, wie z.B. den Kaufmann Johann Schulte, Sohn des Hamburger Bürger­ meister gleichen Namens. Schulte war 1680 nach Lissabon gekommen, um sich dem Im- und Exportgeschäft zu widmen. Er erlangte im Laufe der Jahre ein solches Ansehen, dass ihn die Vereinigung der Schuhmacher 1685 als unparteiischen Aussenstehenden zum «Judex und Richter» wählte. Die Bartholomäus-Brüderschaft hatte ihn schon 1683 zusammen mit seinem Teilhaber, dem hanseatischen Konsul Alexander Heusch, zu ihrem Vorsteher ernannt. Der Vater in Hamburg schrieb hierzu am 3. Oktober 1684 an den Sohn in Lissabon: «Dein angenehmess vom 29 Aug: ist Mihr wolleingereichet, vnd habe Ich erfrewlich darauss ersehen, dass, alss man Dich vnd Hr. Consul Heusch vorm Jahr zu vorstehere oder Major domo, der Capellen St. Bartholomeo erwehlet, Ihr newlich am tage Barthol: ewerer charge wieder erlassen seit: so viel Ich von Sr. Henr. Buermeister ver­ nemme, so werden die Unkostungen, welche Du dieser charge wegen thuen müssen, Sich woll bei 100 Rthlr betragen, welche Gott Dir anderwertss, mit seinem Segen, reichlich wiederumb ersetzen wolle» (10).

 

Hanseaten und Protestanten

Wenn die Brüderschaft auch gewusst haben muss, dass es sich bei den Hanseaten um Protestanten handelte, so war es wegen der Inquisition doch ratsam, diese Tatsache nicht allzu bekannt werden zu lassen. Auch hierüber geben die Briefe des Bürgermeisters Schulte an seinen Sohn Aufschluss. Er schrieb am 19. Oktober 1683: «Betref fendt, dass Du dess Sontagess vormittag nicht aussgehest, besondern Deine Andacht zu hause hast vnd Dein Gebett zu Gott thuest, dass ist Christlich, rühmlich vnd zu loben, allein weiln Du an einen solchen Ohrt anjetzo lebest, da ein jedtweder dess Sontagss zur Kirchen vnd in die Messe gehet, so kanstu leicht auch ewerem Gesinde dardurch ergernisse geben, in dem Du zu hause bleibest: ess sagte Sr. Gerdt Buerm. dass er zwar am Sontag nicht were in die Messe gangen, er hette aber beneben Joh. Gulen am Sontag Vormittag einen Lustigen Spazier gang gethan vnd ketten lhr gesinde vermeinet, Sie weren nach der Kirchen vnd in die Messe gegangen, wormit Sie alle ergernisse hetten vermeidet: gebe Dir hiebei zubedencken, ob Du nicht woll wirst thuen, wen Du diesem exempel folgen werdest».

 

Aus den Briefen des Hamburger Bürgermeisters ist zu ersehen, dass die Brüder- schaft im 17. Jh. am Bartholomäustag für ein Jahr mehr als einen Vorsteher zu wählen pflegte. Die zur Wahl stehenden Personen brauchten nicht katholisch zu sein, mussten aber die mit dem Amt verbundenen Unkosten selber tragen können. Auch die Kapelle stand offenbar deutschen Protestanten als Begräbnisplatz zur Verfügung, denn Schulte gibt am 4. Februar 1685 seiner Freude darüber Aus- druck, dass der verstorbene Johann Bramfeldt, den er persönlich gekannt habe, «eine ehrliche Begrebnüss in St. Bartholomaei Capell» erhalten habe.

Urkunde D. José, Baugenehmigung des Hauses am Rossio, 1774.
Urkunde D. José, Baugenehmigung des Hauses am Rossio, 1774.

Bericht der Brüderschaft über die Auswirkungen des 1. Novembers 1755 (1770) mit der Nennung des Gründers der Kapelle "Miguel Everstatt".
Bericht der Brüderschaft über die Auswirkungen des 1. Novembers 1755 (1770) mit der Nennung des Gründers der Kapelle "Miguel Everstatt".


Die Kapelle

Aufnahme der Kapelle der Bartholomäusbrüderschaft in São Julião, kurz vor der Säkularisierung der Kirche.
Aufnahme der Kapelle der Bartholomäusbrüderschaft in São Julião, kurz vor der Säkularisierung der Kirche.

Das Protokoll

Protokoll der Wahl der Majordomus 1591 (Ausschnitt).
Protokoll der Wahl der Majordomus 1591 (Ausschnitt).

Diese Abgabe bildete in der zweiten Hälfte des 18. Jh. eine der Haupteinnahmen der Brüderschaft und blieb, wenn auch immer seltener bezahlt, bis 1833 bestehen.

 

Eine weitere bedeutende Einnahme erwuchs den Brüdern aus dem Haus- und Grundbesitz, den ihr der deutsche Kaufmann Jacques Coster 1749 testamentarisch vermachte und dessen wichtigster Teil ein Gebäudekomplex am Rossio war. So konnte die Gemeinschaft in der Mitte des Jahrhunderts sorgloser ihren karita­ tiven Verpflichtungen nachkommen.

 

Das Erdbeben vom 1. November 1755 wirkte sich auch für die Brüderschaft als Katastrophe aus. Bei dem Einsturz der Kirche Sao Julião wurden die katholischen Mitglieder, die sich in ihrer Kapelle nahezu vollzählig zur Aller­ heiligen-Messe versammelt hatten, unter den Trümmern begraben. Mit der Bartho­ lomäus-Kapelle ging auch das Archiv verloren, so dass die Geschichte der Brüder­ schaft aus den ersten Jahrhunderten ihres Bestehens heute nur lückenhaft zu rekonstruieren ist. Bei den Räumungsarbeiten konnte aus der Kapelle noch geschmolzenes Silber im Werte von 1775 Talern gerettet werden (12).

 

Gemäss ihrem seit 1507 verbrieften Anteil übernahmen die Deutschen ein Siebtel der Kosten bei dem Wiederaufbau der Kirche, der 1810 abgeschlossen war. Sechs Jahre darauf wurde das Gotteshaus durch einen Brand erneut zerstört und unter Beteiligung der Brüderschaft wieder aufgebaut. 1935 wurde das Gebäude in den Komplex der Bank von Portugal integriert und vier Jahre später für den Kult geschlossen.


Ausführliche Chronik der Brüderschaft von Gerhard Schickert und Thomas Denk , Lissabon 2010
Ausführliche Chronik der Brüderschaft von Gerhard Schickert und Thomas Denk , Lissabon 2010

Statuten des "Deutschen Hilfsvereins in Lissabon" von 1863
Statuten des "Deutschen Hilfsvereins in Lissabon" von 1863

Im Jahre 1809 erhielten alle Deutschen im Bereich der Brüderschaft die Aufforderung, durch freiwillige Beiträge die Gründung eines Armenfonds zu ermöglichen, «da die Einnahmen der Brüderschaft nicht mehr ausreichten, um die Armen zu unterstützen , weil die Abgabe der zwei Promille sich sehr verringert habe, auch keine Schiffe mehr ankämen (14). Das Echo auf diese Bitte soll sehr positiv ausgefallen sein, und auf einer Generalversammlung wurde 1828 beschlossen, den inzwischen auf 6 000 Milreis angewachsenen Fonds der freiwilligen Beiträge in Staatsschuldscheinen anzulegen.

 

Ab 1850 wurden wieder regelmässig Generalversammlungen abgehalten, die vorher wegen der politischen Unruhen nicht immer hatten stattfinden können. Die unübersichtlich gewordene Buchführung wurde entwirrt und die noch vorhandenen Dokumente zusammengetragen und geordnet. 1855 zählte die Brüderschaft neben 15 Protestanten wieder 13 Katholiken, die versuchten, die Gemeinschaft in kirchlichem Sinne zu reorganisieren, ein Versuch, der auch auf Grund der politischen Strömungen der Zeit ohne erfolg blieb. Neue Statuten sahen 1870 eine paritätische Behandlung beider Konfessionen vor.

 

Der erste Weltkrieg setzte der Tätigkeit der Brüderschaft vorerst ein Ende, als 1916 mit dem Eintritt Portugals in den Krieg ihr Vermögen, wie aller deutsche Besitz, beschlagnahmt wurde. Die Brüder selbst wichen nach Madrid aus und bildeten dort einen Ausschuss zur Betreuung hilfsbedürftiger Landsleute. Im Jahre 1922 erhielt die Brüderschaft den wesentlichen Teil des Vermögens vom portugiesischen Staat zurück. Darunter befand sich auch der 1913 umgebaute Gebäudekomplex am Rossio, der mit seinen Ladengeschäften und seinem modernen Ansprüchen gerecht werdenden Hotel zur wichtigsten Einnahmequelle für die Brüderschaft geworden war.

 

Die Jahre zwischen den beiden Weltkriegen brachten eine Zeit erfolgreicher Tätigkeit. 1923 erwarb die Brüderschaft ein Gebäude in der Rua do Passadiço, das wegen der noch geltenden Bestimmungen des Versailler Vertrages jedoch auf den Namen der deutschen Gesandtschaft im Grundbuch eingetragen werden musste. Nachdem die erforderlichen Umbauten abgeschlossen waren, zogen dort der Deutsche Verein und vorläufig auch die Deutsche Schule als Mieter ein.

 

 

In der zweiten Hälfte des 17. Jh. Muss es mit den Finanzen der Brüderschaft nicht zum besten gestanden haben, denn 1670 beschwerte sich ihr Seelsorger, der Jesuit Peter Noormann, dass die Gesellschaft ihm sein Jahresgehalt von 40 Milreis schuldete. Um ihre karitativen Aufgaben durchführen zu können, wird den Brüdern ein königliches Dekret sehr willkommen gewesen sein, das alle deutschen Kaufleute ohne Unterschied der Konfession zu einer Sonderabgabe von zwei Promille zugunsten der Brüderschaft verpflichtete und alle auf hansischen Schiffen ein- oder ausgeführten Güter ebenfalls mit einer Steuer für die Brüderschaft belegte. Da aber ein Teil der betroffenen Kaufleute dieser Steuerpf- licht im Laufe der Jahre immer weniger nachkam, erliess König João V am 14. Dezember 1748 ein verschärftes Dekret, das in der deutschen Version eines unbekannten Übersetzers folgenden Wortlaut hat:

 

«Ich, der König, thue kund, dass, da man mir vorgestellt hat, dass die S. Bartho­ lomäus-Kapelle der deutschen Nation sich mit verschiedenen Schulden belastet findet , was ihr die Ausübung ihrer Wirksamkeit erschwert, da man ihr nicht vollständig die zwei Promille bezahlt, welche die deutschen Handelstreibenden gehalten sind, ihr zu entrichten, es mein Wille ist, dass der Conservador der genannten Nation, vom Administrator der Kapelle darum ersucht, gegen die Contributionsschuldner genannter Kapelle einschreite, sie verpflichte, den Wert der Waren, die sie verkauft haben, und die Quantität derer, die sie nach dem Ausland versandt haben, eidlich anzugeben, und dass, wenn auf diese Weise der Betrag der zwei Promille, die sie zahlen sollen, auf gefunden ist, er sie wegen desselben auspfänden lasse, und dass, wenn sie es verweigern, besagten Schwur zu leisten, derselbe Minister zwei befähigte Personen ernenne, die unter Ablegung desselben Schwures erklären, wie viel sie je nach ihrem Geschäft und Betrieb zu zahlen haben, von welcher Zahlung sie nicht losgesprochen werden sollen, selbst wenn sie Privilegien irgend einer anderen Nation haben. Und es ist gleicher- massen mein Wille, dass die Führer der Schiffe, die verpflichtet sind, derselben Kapelle vierzig Reis von jeder Last und zwanzig Reis von jeder Tonne zu zahlen, ihre Reise nicht antreten können, ohne durch Empfangsschein des Schatzmeisters

 

der Kapelle nachzuweisen, dass sie die Zahlung der besagten Abgabe geleistet haben: was alles genau befolgt werden soll, ohne Ansehen irgend welchen gegen­teiligen Gesetzes, und gegenwärtiger Erlass ist in Ausführung zu bringen, so wie sein Inhalt besagt...» (11).


Der heilige Bartholomäus

Der Heilige Bartholomäus, Statue in der Vatikanstadt.
Der Heilige Bartholomäus, Statue in der Vatikanstadt.

Die deutsche Kolonie in Lissabon umfasste Ende des 18. Jh. etwa tausend Personen, von denen nur ein Viertel katholisch war (13). Dementsprechend stieg der Anteil der protestantischen Mitglieder der Brüderschaft so an, dass mehrheitlich Angehörige der evangelischen Konfession in ihr vertreten waren. 1761, zur Zeit des Premierministers Marquis von Pombal, als die deutschen Protestanten das Recht erhielten, eine eigene Gemeinde zu gründen und ihren eigenen Gottesdienst zu halten, waren nur drei der dreissig Bartholomäus-Brüder Katholiken.

 

Zur selben Zeit wurde beschlossen, dass der Verwaltungsrat der Brüderschaft künftig aus drei Mitgliedern bestehen solle, einem Präsidenten, einem Kassenwart und einem Schriftführer. Jedes Jahr hatte der Präsident auszuscheiden, und an seine Stelle rückte der bisherige Kassenwart, der wiederum durch den Schriftführer ersetzt wurde, welcher einem neuen Vorstandsmitglied Platz machte, so dass im Laufe der Zeit alle Mitglieder an der Verwaltung teilnehmen mussten.

 

Im Jahre 1801 machte der Präsident der Brüderschaft Jacob Hinrich Burchard, der zugleich Vorstand der evangelischen Gemeinde war, den Vorschlag, dass in Anbetracht dessen, dass die grosse Mehrzahl der beitragenden Mitglieder Prote­ stanten seien und dass für die wenigen Katholiken kirchliche Anstalten vorhanden wären, die Brüderschaft und die evangelische Gemeinde ineinander aufgehen sollten, wobei die Gemeinschaft, ohne die gegenwärtigen Ausgaben für den katho­ lischen Gottesdienst zu schmälern, den protestantischen Prediger zu besolden und die übrigen Unkosten der Gemeinde zu übernehmen hatte. Der Vorschlag wurde angenommen, aber der Beschluss musste zwei Jahre später rückgängig gemacht werden, da Adolf Friedrich Lindenberg, der Kassenwart der Brüderschaft und führendes Mitglied der evangelischen Gemeinde, aus kirchenrechtlichen Gründen dagegen protestierte und drohte, das gesamte Eigentum der Brüderschaft dem hanseatischen Konsul zu übergeben. Seitdem wurde bis zum Jahre 1848 ein fortlaufender Betrag zum Gehalt des protestantischen Pfarrers beigesteuert.

 

Eingedenk ihrer Aufgabe, notleidenden Deutschen in Lissabon zu helfen, gründete die Brüderschaft Ende 1799 erneut ein Hospital für deutsche Seeleute, das vorerst in einem gemieteten Haus Unterkunft fand. 1804 konnte dann ein für diesen Zweck am heutigen Largo do Rilvas erworbenes Gebäude bezogen werden, das jedoch nach vier Jahren wegen finanzieller Schwierigkeiten geschlossen wurde. Das ungenutzte Haus fand anschliessend Verwendung als Dienstwohnung für den protestantischen Pfarrer. Im Hofe dieses ehemaligen Hospitals wurde 1817 aus Mitteln der Brüderschaft eine Kapelle für den evangelischen deutschen Gottesdienst errichtet.


Silberne Gedenkmünze zum Erdbeben 1755. "Untergegangen am Tag Allerheiligen 1755".
Silberne Gedenkmünze zum Erdbeben 1755. "Untergegangen am Tag Allerheiligen 1755".

Bild vor dem Umbau des Hauses am Rossio, 1912. Aufnahme: Hans Wimmer
Bild vor dem Umbau des Hauses am Rossio, 1912. Aufnahme: Hans Wimmer


 

Im Jahre 1926 konnte die Deutsche Gesandtschaft mit einem für den Wieder­ aufbau der Deutschen Kolonie bestimmten Betrag die Quinta do Meio in Palhavã erwerben und im Grundbuch auf den Namen der Brüderschaft eintragen lassen. Im folgenden Jahr wurden die Besitzverhältnisse zwischen der Brüderschaft, der Deutschen Schule und der Evangelischen Kirche in Lissabon dahingehend geregelt, dass im Rahmen der Brüderschaft ein «Verwaltungsrat des Eigentums der Deutschen Kolonie in Lissabon» gegründet wurde. Nach dessen Satzung übernahm die Brüderschaft die Verwaltung des gemeinsamen Besitzes, da man in ihr die «säkuläre und eigentliche Vertreterin der Gesamtinteressen der Deutschen Kolonie in Lissabon» sah. Die Aufgabe dieses Verwaltungsrates erlosch, als sich 1930 die Evangelische Kirche und 1936 der Schul­verein, die ihre Anteile jeweils für den Bau einer neuen Kirche bzw. Schule benötigten, finanziell abfinden liessen.

 

1929 wurde die Verwirklichung des in der deutschen Kolonie lange gehegten Wunsches, wieder ein eigenes Krankenheim zu betreiben, in Angriff genommen. Die Brüderschaft, die vor dem Krieg schon zum Gehalt einer Gemeindeschwester beigetragen hatte, stellte Grundstück und Haus in Palhavã zur Verfügung, und ein Jahr darauf konnte der erste Patient in einem der fünf Krankenzimmer aufgenommen werden. In diesen Jahren erhielten Kirchengemeinden, Kranken­ heim, Schule und Verein Darlehen und Spenden, um ihre dem Gemeinwohl dienenden Aufgaben durchführen zu können.

 

Die Zeit nach 1933 blieb auch für die Brüderschaft nicht ohne Folgen. Die NSDAP hatte selbst im Ausland genügend Einfluss, um ihre Gleichschaltungs­Gesetze wenigstens teilweise durchzusetzen. Mitbürgern jüdischer Abstammung wurde nahe­gelegt, ihren Austritt zu erklären, und in einer Generalversammlung mussten ohne Aussprache, unter Umgehung des satzungsgemässen Wahlganges, Parteimitglieder aufgenommen werden. Die Brüderschaft hatte jedoch das Glück, unter diesen einen Mann zu finden, der sein Amt redlich ausübte und als Vorsitzender bis 1945 auch aus heutiger Sicht keinen Anlass zu Beanstandungen gab. Sein Bild hängt im Büro der Brüderschaft unter denen seiner Vorgänger und Nachfolger.

 

So wurde während des zweiten Weltkrieges die Arbeit in bewährter Weise fortgesetzt, bis im Jahre 1945 die alliierten Siegermächte den portugiesischen Staat veranlassten, alles deutsche Vermögen für meldepflichtig zu erklären und einzu­ frieren. Die Brüderschaft wurde einer Verwaltungskommission der portugiesischen Wohlfahrts­behörde unterstellt, die zwölf Jahre lang die Aufgaben der Gemeinschaft treuhänderisch weiterführte, wobei sie, wie hier dankend erwähnt werden muss, immer die Vertreter der ansässigen Deutschen anhörte und in deren Sinne handelte.

 

Nachdem sie ihren Besitz zurückerhalten hatte, musste sich die Brüderschaft zunächst mit einem Enteignungsverfahren befassen, das schon 1943 gegen sie eingeleitet worden war, weil die Stadtverwaltung von Lissabon die Grundstücke in Palhavã, auf denen sich auch das Krankenhaus befand, für Urbanisierunsvorhaben benötigte. Nach jahrelangen Verhandlungen bot die Stadtverwaltung schliesslich eine Vergütung für das gesamte Gelände und die darauf befindlichen Gebäude an. Da die Brüderschaft keinen anderen Ausweg sah und eine Zwangsenteignung vermeiden wollte, nahm sie das. Angebot an, vor allem, weil die Stadtverwaltung gleichzeitig die Möglichkeit vorsah, ein anderes Grundstück kostenlos zur Verfügung zu stellen. Für das Hospital liess sich keine zufriedenstellende Lösung finden, und so musste das Haus geschlossen werden.

 

Ein weiterer Schatten fiel auf die Arbeit der Brüderschaft, als der Seelsorger der katholischen deutschsprachigen Gemeinde mit Hilfe der lokalen Kirchenbehörde die Nachkriegslage ausnutzte und die Herausgabe des Vermögens an eine mit Unterstützung des Patriarchats gegründete neue Organisation verlangte, die nicht nur deutsche Staatsbürger zu ihren Vorstandsmitgliedern zählte. Bei der Frage, wem das Vermögen gehöre, der alten säkularisierten Brüderschaft oder der neuen katholischen Organisation, kam es zu gerichtlichen Auseinandersetzungen zwischen dem Patriarchat und dem portugiesischen Innenministerium. Das Urteil der letzten Instanz bestätigte die Brüderschaft als rechtliche Eigentümerin.


Schlacht an der Küste, Farbdruck, 16. Jh. Sammlung Rainer Daehnhardt, Belas.
Schlacht an der Küste, Farbdruck, 16. Jh. Sammlung Rainer Daehnhardt, Belas.

Die Errichtung der Deutschen Schule Estoril im Jahre 1953 und eines Senioren­ heimes in Restelo im Jahre 1975, der nicht unwesentliche finanzielle Beitrag zum Neubau der Kapelle und des Wärterhauses auf dem deutschen Friedhof Lissabon im Jahre 1989, monatliche Rentenzahlungen an bedürftige Mitbürger und regelmässige Spenden an den Deutschen Hilfsverein zeigen, dass die Bartholomäus-Brüderschaft auch heutzutage ihre selbst auferlegten sozialen und kulturellen Verpflichtungen erfüllt, nämlich «die Gewährung von Unterstützung und Ausübung von Wohltätigkeit in der Gemeinschaft der Deutschen, die in Lissabon wohnen», sowie «die Unterstützung irgendwelcher Unternehmungen, die für die deutsche Gemeinschaft in Lissabon nützlich sind» (15).


Anmerkungen und Bibliographie

1. Diese bei J. D. Hinsch (S. 4) wiedergegebenen Informationen widersprechen anderen portugiesischen Quellen über den Ursprung der Kirche S. Julião, die noch älteren Datums sein soll, «was natürlich nicht ausschliesst, dass König Diniz auf dem Stapelplatz des Overstädt eine neue Kirche bauen liess, um die alte, sicher demolierte Kirche zu ersetzen».

 

Estas informações citadas por Hinsch (p. 4) são contrárias a outras fontes portuguesas sobre a origem da igreja de S. Julião que se diz ser de data mais antiga «o que não impede, evidentemente, que D. Dinis tivesse feito edificar novo templo, no sítio do armazém de Overstädt, para substituir o primeiro, certamente demolido» (Oliveira Mar­ ques, p. 146; Strasen-Gândara, p. 31ff.).

 

2. Haberkern-Wallach, p. 83 «Bruderschaft», p. 250 «Gilde», p. 675 «Zunft»; Fuchs-Raab, p. 132, Bayer, p. 62.

 

3. Silva Marques, vol. III, p. 35.

 

4. Hinsch, p. 6; Strasen-Gândara, p. 34.

 

5. Hinsch, p. 7.

 

6. Castro, vol. III, p. 302; Helmle, p. 22.

 

7. Rodrigues de Oliveira, p. 14.

 

8. Isidoro Velasquez; Joaquim Roberto da Silva; Vitor Ribeiro, p. 20.

 

9. Jorge Cardoso, p. 325.

 

10. Johann Schulte, p. 196, 131.

 

11. Hinsch, p. 9f.

 

12. Minutoli, vol. 1, p. 339.

 

13. Helmle, p. 24.

 

14. Hinsch, p. 15.

 

15. Bartholomäus-Brüderschaft der Deutschen in Lissabon, p. 7.

 

 

 

BIBLIOGRAPHIE-BIBLIOGRAFIA

BARTHOLOMÄUS-BRÜDERSCHAFT DER DEUTSCHEN IN LISSABON

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BAYER, ERICH: Wörterbuch zur Geschichte, 4 Ed., Stuttgart, 1980.

 

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SCHULTE, JOHANN: Briefe des Hamburgischen Bürgermeisters Johann Schulte Lt. an seinen in Lissabon etablierten Sohn Johann Schulte, geschrieben in den Jahren 1680-1685 Hamburg, 1856.

 

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